Lang genug hat es ja gedauert. Jetzt sind wir schon zum zweiten Mal in Brisbane und organisieren von hier aus den weiteren Verlauf der Reise. Am 25. Mai gehen wir zu Teil 2 ueber: Suedostasien. Das duerfte spannend werden.
Die Bikekartons fuer den Flieger haben wir heute geholt, das Innenleben meiner Vorderradnabe ausgetauscht und vorsorglich neue Ketten organisiert.
Der nahende Winter macht das Leben hier fast unertraeglich – tagsueber kuehle 20-25 Grad und nachts stuerzt das Thermometer sogar auf 7 Grad ab. Brrr. Wird wirklich Zeit, das wir wieder in waermere Gefilde kommen :0)
Und sonst? Alles beim Alten. Jeden Tag was Neues. Und davon jede Menge! Die letzten sechs Wochen seit Sydney bummelten wir uns in Richtung Norden voran. Den ersten Teil nah am Meer, wenn irgendwie moeglich auf Forstwegen und am Strand entlang, durch Nationalparks, durch und ueber Fluesse… fast immer mit Rueckenwind und schoen flach. Trotzdem laesst es sich nicht vermeiden, uebervoelkerte Regionen mit Costa Brava-Flair durchqueren zu muessen… Raus aus der Natur und rein in staedtebauliche Greueltaten und architektonische Abartigkeiten…
Letztlich zog es uns dann doch wieder zurueck in die gruene Welt der Berge. Einer der herausragend schoenen Orte, nur knappe 40km suedwestlich von Coffs Harbour, ist Bellingen. Allein schon die Anreise gestaltete sich, Dank einer weggespuelten Strasse und dem daraus resultierendem Umweg durch die umgebenden Waelder, recht spannend. “Wollt ihr wirklich durch die Berge nach Bellingen fahren? Nehmt doch einfach den Highway und alles ist gut!” raet uns Brian, ein sichtlich besorgter Schweinefarmer. “Ihr waeret nicht die ersten die da rein gehen und nie wieder gefunden werden.” Das wiederum erinnert mich ein wenig an “Haensel und Gretel”. Nachdem er unsere Uneinsichtigkeit zur Kenntniss genommen hat, stattet er uns mit reichlich Ratschlaegen und mehreren Litern Wasser aus, zeichnet uns eine Karte, schreibt seine Telefonnummer dazu und erklaert uns, dass er einen Suchtrupp lossschickt, falls wir uns nicht innerhalb von 24h zurueckmelden.
Die Karte stellt sich als richtig und, auf Grund dessen, sehr hilfreich heraus. Unser Weg fuehrt uns in einen Talkessel, an dessen Ende wir auf einen Biobauern treffen, der uns die Richtigkeit des von uns eingeschlagenen Weges bestaetigen kann und uns zur “Steigerung der Leistungsfaehigkeit” ein Buendel frischer Aniseed-Myrtle, ein Eukalyptus aus der Familie der Myrtengewaechse, fuer die Zubereitung schmackhaften Tees mit auf die Reise gibt. Das ist gut! Jedes Kilo mehr auf den folgenden 1000 Hoehenmetern macht es uns leichter! Das Klettern auf rumpeligen Wegen durch Regenwald ist eine schweisstreibende Angelegenheit und so freuen wir uns, nach einigen Stunden direkt in die offenen Arme unseres Warmshower-Gastgebers Nic zu radeln – nicht ohne vorher mit Brian, dem nun erleichterten Schweinebauer zu telefonieren, um mit ihm unsere erfolgreiche Ankunft in Bellingen zu feiern…
Was ist nun das Gute, Schoene und Besondere an Bellingen? Zur Klaerung dieser Frage koennte der Auszug aus meinem Tagebuch vom 15. April 2010 hilfreich sein:
“BELLINGEN – LEBENS- UND LIEBENSWERT. COMMUNITY, ABER KEINE KOMMUNE – VERSCHUETTETES GEDANKENGUT WIEDER AUSGEGRABEN. WAS MACHT ES ZU DEM, WAS ES IST?
SICHER MAL DIE MENSCHEN, WELCHE GLEICHE WERTE, LEBENSEINSTELLUNGEN, TRAEUME, ETC. TEILEN UND AKTIV AN DER GESTALTUNG IHRES LEBENSRAUMES UND LEBENSTRAUMES TEILNEHMEN UND AKTIV ENTSCHEIDEN, HIERHER ZU ZIEHEN.
DER TRAUM VON EINER BESSEREN WELT. VIELE OEKOS, ABER EHER IM BESSEREN SINNE, VIELE “HIPPIES”, OHNE WERTUNG, FARMER, ARBEITER, JEDE MENGE KINDER….
EIN FUNKTIONIERENDES, LEBENDIGES STADTZENTRUM – TROTZ HAUPTVERKEHRSADER ALLES ZU FUSS ODER PER VELO ERREICHBAR. AUTOS PARKEN VERSTECKT HINTER DEN LAEDEN, DER MENSCH STEHT IM MITTELPUNKT.
ATTRAKTIV. ALLE LAEDEN UND DIENSTLEISTER IN AUSGEWOGENEM NEBEN- UND MITEINANDER, KEINE SHOPPINGMALLS ODER SUPERMAERKTE, DIE KAUFKRAFT AUS DER STADT ZERREN. (Jede Menge gemuetlicher Cafes (soviele, dass man sich schon fragen muss, wie die alle bestehen koennen), die wahrscheinlich beste (und dazu noch italienische) Eiscreme Australiens, gut sortierte Buchlaeden (1. und 2+Hand), Kunst- und Kunsthandwerk und alles das, was man sonst noch zum Leben braucht…
IDYLLISCHE LAGE. ATTRAKTIV FUER LANG- UND KURZZEITBESUCHER, NAH GENUG DRAN UND WEIT GENUG WEG AN DEN TOURISTEN-HOCHBURGEN AN DER KUESTE. VIEL NATUR. BERGE, WAELDER, GAERTEN, PARKS, FLUSS. 20KM ZUM STRAND, DEN ABER KAUM JEMAND ZU VERMISSEN SCHEINT…
Nach einigen idyllischen und entspannenden Tagen und gespraechsreichen Abenden bei Nic und seinen Mitbewohnern David und Kelly ziehen wir weiter – grob Richtung Norden, der Heimat nach jedem Tag auf der Strasse ein Stueckchen naeher…
Mit unseren Nachtlagern hatten wir meistens Glueck. Es findet sich fast immer ein Ort, wo wir uns gut im Wald verstecken koennen, ab und an muss auch mal eines der zahlreichen “No Camping”-Schilder ignoriert werden – auch wenn das zur Folge hat, dass man mitten in der Nacht von Securitymaennern geweckt wird und meine Daten nun fuer immer und ewig in irgendeiner australischen Kartei verstauben. Nach besonders langen Tagen oder zu geringer Vegetation hilft hoefliches Nachfragen oder ein bittender Blick und die Tore zu privaten oder kommunalen Grundstuecken oeffnen sich per Zauberhand und man kommt meist noch in den Genuss einer warmen Dusche. Ab und an tauchen wir aber auch bei den Radelkollegen der “Warmshowers.org“-Gemeinde unter und erfreuen uns so der Kommunikation und Gesellschaft Gleichgesinnter mit Insidertipps fuer unseren weiteren Reiseweg.
Unser Tagesablauf wird nunmehr vor allem von Sonne und Mond, den Sternen und allerlei Getier bestimmt. Es wird zeitig dunkel (18.00 Uhr) und zeitig hell (6.00 Uhr), und da sich Australiens heimische, mannigfaltige und vor allem schrille Vogelwelt um diese Uhrzeit bemuehsigt fuehlt, der ganzen Welt zu Verkuenden, was fuer ein herrlicher Tag mal wieder angebrochen ist, bleibt uns auch nichts anderes uebrig, als unsere mueden Knochen aus dem Schlafsack zu schaelen und uns ein Muesli zusammenzupampern.
Apropos: Der Speiseplan hat sich in den letzten Monaten auch zum Besseren gewandelt. Viel frisches Obst und Gemuese, erhaeltlich direkt bei Ihrem freundlichen Farmer am Strassenrand, haelt nun seinen schwerwiegenden Einzug in unsere Taschen und schliesslich Maegen.
Die letzte Aprilwoche teilten wir mit unserem Freund John, dem treuen Leser bereits bekannt von den Bildern unserer Hochzeit und unserer Zeit in Melbourne. Nachdem wir John in Ballina vom Flughafen abgeholt haben, beschlossen wir, die Gegend um den Mount Warning naeher unter die Lupe zu nehmen. Dieser steht im Zentrum eines ca. 80km durchmessenden Kessels eines ehemligen Vulkanes und befindet sich zusammen mit den hier befindlichen Ueberbleibseln des urspruenglichen Regenwaldes in der Liste des UNESCO Weltkulturerbes. (Ja, sowas gibts noch: Viele Gruesse nach Dresden!) Die fuer uns recht erholsame Woche mit wenigen Kilometern und ausreichend Futter, endete bei den “Warmshowern” Lindsay und Margy in Murwillumbah – beide wunderbare Ideengeber und Inspiration fuer beides, Fahrradreisen in Asien und fuer ein erfuelltes und aktives Leben! Beide organisierten uns einen Aufenthalt bei Erin, Dave und ihrer frischgeborenen Tochter Rhyla. Die junge Familie lebt in Natural Bridge, direkt neben dem Nationalpark mitten im Regenwald, zusammen mit Hund, Esel, Schafen, Ziegen, Pony, Huehnern… und ernaehren sich vor allem von dem, was sie anbauen, melken, schlachten, sammeln und ernten koennen. Ein einfaches und auch anstrengendes Leben – aber die drei sind beneidenswert gluecklich!
Trotz stroemenden Regen rissen wir uns letztlich auch hier wieder los um einen kurzen Zwischenstopp in Brisbane einzulegen, von wo aus es aber gleich weiter ging zum Endpunkt unsere Fahrt in Australien – zu Albert und Fay in Palmwoods an der Sunshine Coast. Die beiden, Mitte 60 und passionierte Radler, haben wir vor einem halben Jahr in Taupo, Neuseeland getroffen. “Falls ihr jemals in unsere Gegend kommt, solltet ihr unbedingt bei uns Halt machen”, haben sie damals gesagt. Und genau das machen wir. Und die beiden bereiten uns einen sagenhaften Abschluss unserer Australien-Tour! Helfende Haende in der Kueche werden nicht oder nur sehr zoegernd akzeptiert, leckeres Essen, grosse und kleine Snacks werden kredenzt, das Bett ist kuschelweich, die Waesche duftet endlich wieder einmal…. Ich stehe stundenlang mit Albert in der Garage oder in der Werkstatt und neben dem philosophieren ueber Bikes und deren Bestandteile, werkeln wir ein wenig an unseren Raedern herum (auch wenn es da Dank solider Technik kaum was zu tun gibt), verbessern Sitzpositionen, unternehmen Testfahrten auf den diversen Fahrraedern der Beiden und reden, reden, reden… In den vier ereignisreichen Tagen lernten wir Fischen, Motorboot- und Wasserskifahren. Ohne Unfaelle! Fast.
Das wars erst einmal wieder von uns aus hier! Momentan sind wir bei Emma und freuen uns auf die naechsten Radelkilometer auf Stradbroke Island, oestlich von Brisbane, uebers Wochenende…. Je nach Wetter. Zurzeit regnets.
Hoi zäme
Ach-wenn ich Mount Warning lese muss ich fast weinen. Denn genau da war auch auf 2 Rädern( mit Motor ). Das war sehr genial.
Und immer schoen weiterschreiben.
keep on rolling
Andy.workoholic @ GSCF
Hallo ihr zwei,
erst einmal herzlichen Glückwunsch für eure Ehe,ich wünsche
euch alles erdenklich Gute für euren gemeinsamen Weg.
Wir haben uns zweimal auf Tasmanien getroffen. Das erste
mal in St. Helens und das zweite mal in Deloraine.
Ich habe noch eine Weile den Nordwesten Tasmaniens be-
radelt und bin dann mit der Fähre nach Melbourne und weiter zur Great Ocean Road.
War mir aber alles zu aufregend und ich habe mich nach 2
Wochen wieder nach Tasmanien verkrümelt.
Jetzt bin ich schon seit ca. 7 wochen in Hamburg.
Es grüßt euch herzlich
ulli
lieber ulli, schoen, von dir zu hoeren und zu wissen, dass du gesund wieder zu hause gelandet bist! und besten dank fuer die glueckwuensche….
bei uns dauert es wohl noch ein weilchen, bis wir wieder daheim sind – noch fuehlen wir uns zu gut zum aufhoeren….
alles liebe von uns beiden
…hmm, excellent writing style jens….if you publish a book about your travelling, I promise to buy it :-)
Egal was es kostet? Besten Dank… da muss ich wohl doch noch anfangen, Tagebuch zu schreiben… liebe Gruesse