Von Shangri-La nach Litang
Nach geraumer Zeit des Wartens im liebenswerten, weil zu dieser Jahreszeit schlecht besuchten und daher sehr entspannten Shangri-La, legen wir uns auf ein Startdatum fest. Das Wetter ist sowieso unberechenbar, und bis zum Sommer Warten koennen wir nicht, auch wenn das Herumstrolchen in den Gassen der Stadt, das muehselige Uebersetzen der Speisekarte in unserem Stammrestaurant und das Streicheln des Huskys, welcher unsere Fahrraeder bewacht, einen gewissen Reiz auf uns ausuebt.
Waehrend wir unsere Raeder bepacken, marschiert in der Stadt ein gewaltiges Aufgebot an Polizei in Vollmontur, mit Langstoecken bewaffnet und Militaer in Panzerwagen auf. In Kuerze jaehrt sich der Tag des Tibet-Aufstandes zum dritten Mal. Wir machen, dass wir wegkommen…
Und so starten wir in dichtem Schneegestoeber gen Norden, rutschen auf eisigen Pisten ein paar Huegel hinunter und waermen uns an den Oefen der Einheimischen bei koestlich mundenden Nudelsuppen die klammen Finger. Das Wetter ist weiterhin in Spiellaune und haelt so manche Ueberraschung bereit. Mal Regen (wenig), mal Sonne (sehr viel), Schnee (manchmal), Sturmboen oder laues Lueftchen – nie weiss man, woran man ist.
Die Kuehe haben sich einen dicken Fellmantel uebergezogen und heissen ab sofort „Yak“ (Die Hipiies unter den Kuehen). Selbst die ueberall herumstrolchenden schwarzen Schweine kleiden sich nun witterungsgerecht und heissen weiterhin „Schwein“. Auch wir muessen uns einen anderen Umgang mit unserer Lieblingssportart angewoehnen. Die Luft wird zunehmend duenner, die Temperaturen niedriger und die Strassen schlechter.
Die Tibeter sind uns gleich symphatisch. Freundlich und fast immer ein Laecheln im braun gebrannten Gesicht. Die Kleidung schwankt zwischen traditionell und modern – meist ein kruder Mix aus Beidem. Die Maenner bevorzugen gefuetterte Lederstiefel mit bunten Verzierungen, Jeans, Outdoorjacke und Fellmuetze, als modisches Accesoire die Topgun-Brille und immer die brennende Kippe im Mundwinkel. Bei den Frauen lugen unter den langaermeligen, knoechellangen Yakfell-Maenteln die Stoeckelschuehchen hervor, am Handgelenk baumelt das Handy.
Die Architektur setzt bunte Akzente vor dem brau-grau-gruenen Hintergrund der gewaltigen Bergwelten. Reich verziert sind vor allem die aus Holz kunstvoll gearbeiteten Fensterrahmen und –laibungen, die Eingangsportale und Dachabschluesse der wie Trutzburgen erscheinenden Haeuser.
Die Fahrt ist die unserer persoenlichen Rekorde: immer hoeher, immer kaelter, immer herausfordernder – Immer schoener! Besseres Wetter haetten wir uns kaum wuenschen koennen. Das Warten hat sich gelohnt. Was will man mehr!
Wer genaueres wissen will, dem seien die nachfolgenden Tagebucheintraege dieser grandiosen Woche empfohlen. Die Dia-Show gibt es, wie immer, am Schluss!
12.-18.03.2011, 7 Tage, 462km, 8300 Hoehenmeter, Durchschnittshoehe: 3500- 4000muM, Tagestemperaturen zwischen 0 und 12 Grad, Nachttemperaturen zwischen -10 und -15 Grad, Wind meist aus sued-suedwestlicher Richtung, Strassen und Passuebergaenge: schnee- und eisfrei
Tag 1 Von Shangri-La nach Pushang / 52km / 500Hm
Start bei 0 Grad und Schneegestoeber. Kurze Zeit spaeter Sonne, dann wieder Schnee. Wir biegen falsch ab, verfahren uns auf lustigen Schlammpisten und finden am Ende eine unsaeglich beschissene Bleibe in einem unsaeglich beschissenen Nicht-Ort. Pushang oder Gezan, niemand weiss es so richtig. Am Abend faellt der Matsch vom Himmel, in der Nacht ist es feucht und kalt. Gefuehlte -30 Grad, in Wirklichkeit vielleicht -10. Das faengt ja gut an.
Tag 2 Von Pushang nach Wengshui / 74km / 1400Hm
Die Pfuetzen sind gefroren, der Himmel haengt grau und wolkenreich eine handbreit ueber unseren Koepfen. Doch es geht nach oben und damit dem Himmel entgegen. Blau begruesst er uns nach ermuedendem Anstieg auf den ersten Pass, die Sonne waermt uns die Glieder und wir treffen auf zwei Chinesen, Xiao Xiao und Chuan Yue, die mit ihren Fahrraedern auf dem Weg von Lijiang nach Lhasa sind. In Wengshui finden wir ein heimeliges Stuebchen, bunt angemalt und vor allem warm. Das Fenster geht zum Innenhof hin, welcher mit einer Glaskuppel gedeckt ist, somit also eine Art Wintergarten bildet. Als sehr vorteilhaft empfinden wir die Tatsache, dass zu den Fremdenzimmern auch ein kleines Ess-Stuebchen gehoert.
Tag 3 Von Wengshui bis 20km vor Ranwu / 66km / 1650Hm
Im Nachhinein betrachtet der anstrengendste Tag unserer bisherigen Reise. Gluecklicherweise sind wir so clever, und lassen uns eine Riesenportion Gebratenen Reis mitgeben…. Nach 10km endet die Strasse und ein unbeschreibliches Etwas stellt uns und das Material fuer die naechsten 80km auf eine harte Probe. Es geht hoch. Soviel wissen wir ja. Wir arbeiten uns auf die versprochenen 4327m empor und freuen uns schon auf die Abfahrt. Pustekuchen! Zum Einen kann man auf einen mit Felsbrocken uebersaeten, in Schlamm oder knoechelhohen Staub gebeteten Gebirgspfad nicht von Abfahrt sprechen, zum Anderen wird eine Abfahrt im Allgemeinen von Gegenanstiegen, welche auf einen zweiten, dann, schon im Dunkeln, auf einen dritten Pass fuehren, wesentlich erschwert. Bei 3800m, kurz hinter dem dritten Pass, finden wir einen nicht von ploetzlichem Steinschlag oder Hangrutschen gefaehrdeten, fast perfekten Platz fuer unser Zelt. Kochen, Zelt aufbauen, Einmummeln. Letzteres ist auch bitter noetig, wie sich bald heraus stellt. Mir brummt der Schaedel, vor Anstrengung und wohl auch der Hoehe, aber eine Aspirin, ein Becher heissen Tees und eine Schuessel Haferflockenbrei verschaffen Linderung. Gemuetlich ist es in unserer Hoehle, draussen knistern die Schneeflocken auf der Zelthaut, der Wind pfeift eisig durch die Wipfel der Baeume und ab und an quaelt sich ein schwerer LKW ueber die nahe Piste zum Pass empor.
Tag 4 Vom Pass nach Xiangcheng / 53km / 450Hm
Am Morgen weckt uns die Sonne gegen 8 Uhr. Wir sind froh darueber, dass das Thermometer -9 Grad im Zelt anzeigt, und wir somit noch ein Steundchen doesen koennen. Draussen erwartet uns eine Winterlandschaft, die nach dem langwierigen Packen, Trocknen und Fruehstuecken (Gebratener Reis, gefroren) schon wieder verschwunden ist. Nun stehen die letzten 20km Rumpelpiste, 1200m hinunter ins Tal nach Ranwu, bevor… Hochzu waren wir fast genauso „schnell“. Wir haben gestern die Provinzgrenze von Yunnan nach Sichuan ueberquert. Man merkt das sehr schnell an der veraenderten Architektur. Die Hauser sind meist zweistoeckig, mit einem L-foermigen Aufbau. Die Flachdaecher werden als Terrasse und Flaeche zum Trocknen der Ernte genutzt. Ueberall wird gebaut und so ist man in der gluecklichen Lage, den Entstehungsprozess sehr gut nachvollziehen zu koennen. Bruchstein bildet Fundament und Sockel, dann folgen 2m dicke, sich nach oben hin verjuengende Waende aus Stampflehm, der mit einem Paddel-aehnlichen Geraet verdichtet wird. Besonders auffaellig sind die reich verzierten Fenster und deren Laibungen, mit Schnitzereinen versehen und farbenpraechtig angemalt. Das Weiss der Fassaden wird aus alten Teekannen einfach ueber die Waende geschuettet….
Wie solch ein Haus von Innen aussieht, sehen wir in Xiangcheng. Hier werden wir bei der Ankunft von Frauen und Maennern umzingelt, die uns in ihre Unterkunft „bitten“. Letztlich entscheiden wir uns fuer das traditionelle tibetanische Haus und bereuen dies nicht, auch wenn es noch mehr einer Baustelle gleicht, als einer konkurrenzfaehigen „Backpacker-Lodge“. Im kleinen, doch reich verzierten Zimmer traeumt es sich sehr angenehm.
Tag 5 Von Xiangcheng bis 10km hinter Sagong, Werkhof der Strassenwacht / 42km / 1000Hm
Ein gemuetlicher Tag beginnt mit Ausschlafen und einem guten Fruehstueck. Selbst Xiao Xiao und Kumpel Chuan Yue sind spaet auf den Beinen, da heute, zur Abwechslung, mal kein Pass auf dem Programm steht. Wir Fruehstuecken gemeinsam, was unseren Speiseplan ungemein bereichert, da man in China in perfektem Chinesisch einfach genau das Bestellen kann, was man Essen will. In gemuetlichem Auf und Ab schlendern wir, heute zu viert, durch das Tal des Xiangcheng Flusses, halten oft fuer Fotos oder, im Falle der beiden Chinesen, auf einen kleinen Schwatz mit den Neugierigen am Wegesrand. Gegen Abend passieren wir eine der zahlreichen Polizei-Kontrollpunkte. Hier geht es immer absolut professionell zu. „Woher?“ und „Wohin?“ will man wissen, dazu Passkontrolle und das Aufnehmen unserer Angaben in ein kleines Buechlein. Von dem vor uns liegenden Pass wissen wir von unseren Freunden Gab und Kyoko, die sich eine Woche vor uns an dieser Strecke abmuehten, um rechtzeitig ihr Visum verlaengern zu koennen. Aufgrund dessen entschliessen wir uns, nach einem kurzen Aufstieg Feierabend zu machen. An einer Art Werkhof fragen wir nach einer Campingmoeglichkeit und werden sofort herzlich aufgenommen. Waehrend es sich unsere beiden Weggefaehrten in der aermlichen, aber warmen Huette des Strassenwarts gemuetlich machen, verkriechen wir uns in unseren gruenen Palast und durchstehen die eisige Nacht in kuschelig warmen Schlafsaecken…
Tag 6 Vom Werkhof nach Sangdui / 45km / 1400Hm
Hoch. Hoch. Hoch. Und dann doch noch runter. Quaelend langsam klettern wir Kurve um Kurve, Serpentine um Serpentine nach oben, dafuer bleibt aber noch Zeit genug, uns am Flug mehrerer praechtiger Adler zu ergoetzen. Die Vegetation lichtet sich langsam, bei gut 4500m ist ploetzlich ganz Schluss mit dem Wachstum. Dafuer windet es maechtig. Den ganzen Tag lang blauer Himmel, nicht das kleinste Woelckchen ist zu sehen. Auf ueber 4700m blaest es so heftig, dass kaum Zeit fuers obligatorische „Gipfelfoto“ bleibt. Die Sicht ist gigantisch. Die trockene, kristallklare Luft und das gute Wetter lassen kilometerweite, ungetruebte Ausblicke auf nahe und ferne Gebirgsketten zu. Nebenan knattern die Gebetsfahnen im Wind. Hinab nach Sangdui. Ein trostloser Ort, ein kaltes Zimmerchen, ein waermender Tee am einzigen Ofen des Gasthauses…
Tag 7 Von Sangdui nach Litang / 130km / 1900Hm
Eigentlich war ein Abstecher ins nur 30km entfernte Daocheng geplant, allerdings verbietet uns die oertliche Polizei die Fahrt, angeblich wegen von Steinschlag gefaehrdeter Strasse. Die beiden Chinesen duerfen fahren… So folgt also unser Abschied von Xiao und Chuan Yue. Falls irgend jemand glaubt, Chinesen haetten keinen Humor, so wuerde ihn ein einziger Tag zusammen mit den Beiden eines Besseren belehren. Vor allem der kleine, langhaarige Yue ist ein energiegeladener Wirbelwind. Wir sprechen zwar nicht dieselbe Sprache, haben aber dank tagefuellendem gestenreichem Pantomimeprogramm jede Menge Spass miteinander.
So machen wir uns zu zweit auf den Weg, weiter Richtung Litang. Nach kurzem Anstieg fahren wir stundenlang durch eine surreal anmutende Hochebene (4600m), in der von gigantischen Gletscherzungen rundgelutschte Riesenkiesel wild durcheinander liegen. Gluecklicherweise hat hier noch niemand aufgeraeumt. Der Abfahrt folgt ein graubraunes Hochtal, eine Steppenlandschaft auf der friedlich Yaks und Pferde grasen, und, ganz und gar unfriedlich, ploetzlich zwei Huetehunde auf mich zurasen, sich im Handumdrehen jeder eines meiner, noch zwei Beine aussuchen und versuchen, diese anzuknabbern. Mir bleibt nichts anderes uebrig, als aus ganzem Hals bruellend, in voller Fahrt nach links und rechts zu treten, um mir die Biester irgendwie vom Hals zu halten. Nach ein paar hundert Metern lassen sie dann endlich von mir ab. Mir schlaegt das Herz bis zum Hals und wuetend sammle ich ein paar Steine auf und stopfe sie in meine Rahmentasche, fuer den Fall der Faelle… Einmal quer durch das Tal geradelt muessen wir natuerlich auf der anderen Seite wieder hoch. Wieder ueber 4700m, doch diesmal mit immer dunkler werdenden Wolkentuermen, die uns langsam aber sicher einholen. Die kommende Abfahrt erleichtert unsere Flucht ungemein und wir suchen in den naechsten Orten nach einem Unterschlupf. Leider vergeblich. In Jiawa, nach knapp 100km, verweist man uns auf das rund 30km entfernt liegende Litang. Die Fragen nach Alternativen Unterkunftsmoeglichkeiten oder Campieren bleiben unbeantwortet. Unsere Hoffnungen ruhen auf den zwei maechtigen Kloestern, die man schon aus der Ferne sehen kann, werden allerdings schnell zerstaeubt, als wir in der Siedlung auf deren minderjaehrige Bewohner treffen. Grueppchenweise versuchen sie unsere Taschen von den Raedern zu zerren, machen unflaetige Gesten, schubsen und schmeissen mit allem, was ihnen in die kleinen Patschehaendchen kommt. Auch die Einheimischen werden nicht von den Teenie-Moenchsbanden verschont und erwehren sich dieser dreisten Rotzbengel, indem sie mit Steinen nach ihnen werfen oder mit grossen Knueppeln Pruegel androhen. Also faellt das Kloster als Uebernachtungsmoeglichkeit fuer uns aus. Nach einer staerkenden Nudelsuppe geht es hinaus ins schnell dunkel werdende Unbekannte . In den kommenden Stunden zaehlen wir Kilometer um Kilometer und fahren aus reinster Willenskraft weiter. Das Tal ist zu eng zum Campieren. Das Licht geht nun ganz aus, dafuer schneit es kraeftig und die vorbeischiessende Schneeflocken, die einen irren Tanz im Lichtkegel der Stirnlampen auffuehren, lassen uns die Strasse kaum noch erkennen.
Letzten Endes erreichen wir unser Ziel. Der Schnee hat sich wieder verzogen, ein fast runder Mond erhellt die Nacht und unsere Einfahrt ins vor Polizei nur so strotzende Litang. Doch die Beamten lassen sich nicht lumpen und geleiten uns zu einem kleinen, feinen Hostel, wo wir nach ein paar Schalen Buttertee und einer Schuessel „Zanba“ in einen tiefen Schlaf fallen…
Zanba = Aus geroesteter Qingke-Gerste (spezielles Hochland-Getreide), Yakbutter, Hartkaese und Wasser hergestellter, nicht unwohl schmeckender Brei.
Litang versprueht einen rauhen Charme und hat so rein gar nichts mehr von der Weichspuelatmosphaere eines gut vermarkteten Shangri-La oder Dali. Dafuer jede Menge Authentizitaet und eine Umgebung, die einen magisch in ihren Bann schlaegt.
Die lokale Kueche bringt wieder einmal Abwechslung in unseren Speiseplan. So stehen nun Kaese in verschiedenen Darreichungsformen, mit Yak-Fleisch und Gemuese gefuellte Teigfladen und Baotzi mit Kaesefuellung und suesser Kondensmilch auf unserem „Tisch“.
Wir ruhen uns hier aus und schauen mal, wie wir weiterfahren wollen…
Kamarádi,
vyserte se na to a pojeďte domů! V krbu vám zatopím, pečeni uvařím, grog, sleju. Neblbněte, komunisty máme i tady, ti nejsou jenom v Číně. Tak hurá k mapě, najít nejkratší cestu do Bratronic a ať už jste tu!
Alláhu akbar.
upřímně váš strejda Šlívovic
Drahy ujo,
cisla nelzou: Danba (Cina) – Bratronice (u Kladna) pouhych 7280km vzdusnou carou. Takze zapal v krbu a dej chladit Slivovici, jsme na ceste.
We bow to u!!! :))
all the best from krakow