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Archive for the ‘05 Brunei’ Category

I Mit Blaulicht in die Kirche

Die Polizei, dein Freund und Helfer. Das kann man auch hier, in Malaysia, woertlich nehmen. Die Uebernachtungen in Gasthaeusern uebersteigen bisweilen unser Budget – was liegt also naeher, als auf der Polizeistation nachzufragen? Schliesslich, so unsere Idee, haben die ja reichlich Platz zum Campen auf dem hauseigenen Sportplatz oder die eine oder andere freie Zelle. Man nimmt sich unseres Problems dankend an und eskortiert uns eine halbe Stunde spaeter zu Pastor Martin, der uns mit offenen Kirchentueren empfaengt. Von nun an fragen wir direkt bei den oertlichen Gotteshaeusern nach Unterkunft – und sind ueberwaeltigt von soviel selbstverstaendlicher Naechstenliebe und Gastfreundschaft. Eine kleine Spende erhaelt die Freundschaft.

Wir schaffen es nach Kota Kinabalu. Diese Stadt ist fuer uns Treffpunkt mit meiner Schwester Jana und Freund Guido. Wir geniessen zusammen das frische Essen auf einem der besten Seafood-Maerkte Suedostasiens, dem Filipino-Markt, schlendern durch die bunten, lebendigen Gassen des chinesischen Viertels und verbringen zauberhafte Tage auf Mamutik Island, unweit der Stadt. Auf der Insel gibt es keine festen Unterkuenfte, so dass die wenigen Camper vom spaeten Nachmittag bis zum naechsten Vormittag vom Ansturm der Tagesausfluegler verschont bleiben und die Ruhe geniessen koennen. Es laesst sich hervorragend Schnorcheln – ich bekomme Feuerfische und sogar Riffhaie zu Gesicht – sehr beeindruckend, auch wenn diese nur wenig laenger als einen Meter sind. Nach einer knappen Woche trennen sich unsere Wege – wir werden uns erst in Singapur wiedersehen…

II Radlos im Regenwald

Wir machen uns auf den Weg, zurueck nach Brunei, um die schoenere Seite des Landes kennen- und lieben zu lernen. Wir entscheiden uns aufgrund mangelnder Zeit und Lust, die Raeder und den Grossteil des Gepaecks in Kota Kinabalu zu lassen und trampen zurueck ins Land eines der reichsten Maenner der Welt. Das funktioniert ausgeprochen gut und so finden wir uns nach Einbruch der Dunkelheit in Sumbiling wieder. Dieses Dorf liegt am Ende einer Strasse, welche von Bangar direkt in den Regenwald fuehrt und von Menschen aus dem Stamm der Iban bewohnt wird. Wir sind hier, um Freiwilligenarbeit fuer ein Oeko-Dorf-Projekt zu leisten, welches „sanften Tourismus“ in der Region unter Einbindung der Einheimischen foerdern soll. Initiiert wurde das Projekt von Leslie, einem chinesisch-staemmigen Tourismus-Unternehmer und betreut von Rudy, unserem Couchsurfing-Gastgeber aus Bruneis Hauptstadt.

Es braucht seine Zeit, bis man sich aneinander gewoehnt. Die Iban sind anfangs sehr zurueckhaltend. Doch das Eis schmilzt von Tag zu Tag – aus Fremden werden schliesslich Freunde. Die unterschiedlichen Vorstellungen zum Thema Arbeit geben auch erstmal genug Zuendstoff fuer die ersten Tage – was ich am meisten zu hoeren bekomme ist: „Jens, just relax. Tomorrow is another day.“ Aber ich kann mir nicht helfen – mich nerven die kaputten oder fehlenden Werkzeuge, der Pfusch am Bau, die staendigen Pausen und die totale Unorganisiertheit – jeder macht, wozu er gerade mal 30 Minuten lang Lust hat und laeuft wieder weg. Doch wir naehern uns einander an und schaffen es in den zwei Wochen unserer Anwesenheit, ein Projekt zu beginnen, fertigzustellen und gleichzeitig noch genug Zeit zum Entspannen zu finden.

Die Iban leben vor allem von dem, was Fluss und Wald gerade anbieten. Auf Viehhaltung und Ackerbau sind sie nicht angewiesen, die Langhaeuser, in denen sie hauptsaechlich wohnen, halten mehrere Generationen – Sammeln, Fallenstellen, Jagen und Fischen sind seit Urzeiten ihre gewohnten Taetigkeiten. Geld spielt eine untergeordnete Rolle, ist eher fuer die junge Generation wichtig, die Leben und Gueter jenseits des Waldes aus dem TV kennt und verstaendliche Begehrlichkeiten entwickelt. Leider geht dadurch ein Teil des Wissens ueber den Lebensraum Regenwald verloren. Die Alten, wie Apai und Tukang, sind unerschoepfliche Wissensquellen – ein Waldspaziergang mit Ihnen ist eines der spannendsten Dinge, die man hier so machen kann – da wird aus gruenen Blaettern ploetzlich Seife, aus ein Paar Zweigen und zusammengerollten Pflanzenfasern binnen weniger Minuten eine trickreiche und gut funktionierende Vogelfalle, unscheinbare Wurzeln entpuppen sich als schmackhafte, an Erdbeeren erinnernde Snacks, Froesche werden zu Abendbrot… Der Wald ist ploetzlich kein unentrinnbares gruenes Dickicht mehr, sondern Lebensraum. Damit das so bleibt, steht der Primaerwald, also unberuehrter Regenwald, unter dem besonderen Schutz der Regierung und staendige Patrouillen von Polizei und Armee garantieren diesen zumindest teilweise.

Primaerwald erinnert stark an einen europaischen Mischwald – wenig Unterholz, sehr licht und ein gewaltiges gruenes Blaetterdach, getragen von enormen Staemmen. Man sieht weit und wundert sich. Das, was wir im allgemeinen mit Regenwald verbinden, ist Sekundaerwald – also bereits abgeforsteter oder landwirtschaftlich genutzter Wald, der zurueck kehrt. Da hier der Schatten der Baumkronen fehlt, entwickelt sich das undurchdringliche Dickicht, wie man es aus Filmen kennt. In beiden Waldformen findet man kaum Tiere, solang sie genug Raum haben, sich zu verteilen und zu verstecken. Kritisch ist es in den sogenannten Nationalparks, vor allem auf der Seite Malaysias – diese Gebiete werben damit, dass viele Tiere, dicht gedraengt, in freier Wildbahn zu sehen sind – das geht allerdings nur, wenn der Lebensraum schon so stark begrenzt ist, dass den Tieren keine andere Wahl bleibt. Ein Zoo mit anderen Mitteln….

Abseits der Lehrstunden im Wald und den Arbeitsstunden im Dorf, wo wir vor allem Drainagen schachten, mit Flusskieseln und Lehm Wege pflastern – schwimmen wir, wegen eventueller Krokodile unter Aufsicht, im Fluss, fahren im Langboot zum Fischen, bestaunen die Sonnenuntergaenge, belauschen die vielfaeltigen Stimmen des Waldes und sitzen am Abend um die Feuerstelle oder im Langhaus bei einem Becher Reiswein zusammen und sprechen ueber unsere beiden, so unterschiedlichen Welten.

Am vermeintlich letzten Abend steigt ein Abschiedfest, in dessen Verlauf wir genoetigt werden, noch einen Tag laenger zu bleiben. So kommen wir noch in den Genuss einer Verlobungsfeier in einem benachbarten Langhaus. Die Verlobung wird rund zwei Monate vor der eigentlichen Hochzeit abgehalten und dient vor allem der Feststellung des Verwandheitsgrades von Braut und Braeutigam. Dies wird unter den Maennern ausgiebig bei Tee und Tabak diskutiert, waehrend die Frauen den haerteren Getraenken froehnen und das Tanzbein schwingen. Am naechsten Morgen wird dann das Ergebnis der “Verwandheitsgradsfeststellungsdiskussion“ bekannt gegeben…

Und wir stehen wieder in der prallen Sonne, mit Abschiedsschmerz und Katerstimmung, und winken den vorbeifahrenden Autos zu, bis uns eines mitnimmt…

Zurueck in Kota Kinabalu packen wir fuer den hoffentlich letzten Flug auf dieser Reise…

III Alles verboten und viele Kilometer

Ankunft in Singapur – Ankunft in der Zukunft. Die Schweiz Suedostasiens raubt uns den Atem und den Schlaf. Nur rund 50 auf 70km gross, draengen sich hier knapp 5 Millionen Menschen. Viele davon weiss. Wir treffen wieder auf Guido und Jana und durchstreifen fuer zwei Tage den asiatischen Bau-Gigantismus. Wir fuehlen uns voellig deplatziert. Was soll man auch in einer Stadt anfangen, die anscheinend nur aus Shoppingmalls, Bueros, Wohntuermen und Entertainmentlokalen zu bestehen scheint? Was ist das fuer ein Land, wo der Besitz und der Gebrauch von Kaugummi illegal ist und unter Strafe steht, das „Nach-dem-Pippi-machen-nicht-spuelen“ mit einer Geldstrafe geahndet wird? Alles sauber, alles genormt, alles sicher!

Wie wohltuend ist da die, zum Glueck noch vorhandene, Atmosphaere von Little India, Chinatown und dem arabischen Viertel. Alte Haeuschen, zwei bis drei Stockwerke hoch, ein Gemisch aus Lebensmittel- Klamotten- Haushaltswarenlaeden und Restaurants in den Erdgeschossen – ein quirliges Treiben in den Gassen…

Wohltuend auch unser naechtlicher Rueckzugsort bei den Warmshowern Frank, Ho Pheng und der kleinen Tochter Inge – eine Wohnung zum Durchatmen – ein gelungener Mix aus europaeischem und asiatischem Einfluss, eine Gastgeberin, die zwischen Baby und Arbeit noch Zeit fuer uns findet – besten Dank dafuer!

Fuer uns heisst es Abschied nehmen von Jana und Guido und mit einer unterdrueckten Traene in den Augenwinkeln schwingen wir uns wieder auf die straeflich vernachlaessigten Stahlroesser. Die vor uns liegende, rund 2‘000km lange Etappe nach Bangkok wird uns nochmals durch Malaysia fuehren, wahrscheinlich durch immer gleiche Palmoelplantagen – doch lassen wir uns ueberraschen.

Den lang herbeigesehnten Radkilometer 10‘000 haben wir am 4. September in Malaysia, zwischen Kota Tinggi und Mersing ueberschritten – lang genug hat es gedauert.

 03 Geleitschutz zur Kirche

12 Auf dem Fluss

01 Boot auf Beinen

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Oel Oel Oel

Brunei. Was faellt einem dazu ein? Erstmal nur ein kleines, superreiches Land und ein kleiner, superreicher Sultan. Aber Brunei hat mehr zu bieten. Oel. Nicht wie die Nachbarn aus Palmsamen gepresst, sondern aus dem Boden sprudelntes schwarzes Gold. Man sieht die Pumpen ueberall. Selbst am Strand, immer mit einem Zaun drumherum, oft in abgesperrten Gebieten.

Unsere erste Nacht verbringen wir in Seria. Die Stadt gehoert den Shell-Mitarbeitern. Diese haben sich hier aus der ganzen Welt eingefunden, um ihre Arbeitskraft der Oelindustrie zur Verfuegung zu stellen. Im Gegenzug wohnen sie in grossen, gleich aussehenden Haeusern, in grossen, parkaehnlichen Wohnsiedlungen, fahren grosse Autos mit subventioniertem Kraftstoff und werden mit grosszuegigen Gehaeltern belohnt, die sie im benachbarten Super-Supermarkt fuer ueberteuerte Produkte aus der Heimat wieder ausgeben koennen. Am Abend, nach getaner Arbeit, vergnuegt man sich, unter Kollegen natuerlich, beim Fussball oder Snooker. Am Wochenende faehrt man in eines der riesigen Shoppingcenter ueber die Grenze nach Miri, und kommt mit den erlaubten 12 Buechsen Bier und einer Flasche Hochprozentigem pro Person wieder zurueck.

Wir entrinnen diesem Ort beizeiten am naechsten Morgen. Unser Ziel ist weit. Die Sonne brennt gnadenlos. Kein Schatten weit und breit. Nur Eintoenigkeit und Langeweile. Die Strasse entpuppt sich als schnurgerades, hitzereflektierendes Asphaltband, ohne Steigung, kaum einer Kurve – dafuer aller 40m ein Laternenmast. Wir bemuehen erstmalig unseren MP3-Player waehrend des Fahrens, um uns ein kleinwenig Ablenkung zu verschaffen, rechnen anhand der Kilometersteine und der Uhr den Geschwindigkeitsschnitt aus, Formulieren im Kopf Briefe nach Hause und freuen uns schon fast, als wir wegen eines platten Hinterreifens die Fahrt fuer ein paar Minuten unterbrechen muessen. Letztlich erreichen wir das Ziel unserer Bemuehungen – Bruneis Hauptstadt Bengar Seri Bergawan, kurz BSB genannt. Hier haben wir uns bei dem chinesisch-staemmigen Rudy ueber Couchsurfing eingeladen und werden herzlich von dessen Onkel, Tante und Mutter willkommen geheissen und sogleich mit chinesischen Spezialitaeten verkoestigt. Rudy kommt spaet. Zuviel Arbeit.

Wir schauen uns fuer einen Tag in BSB um. Kitschig bunte Fassaden und ungewoehnlich gestaltete Gebaeude, Plakate und Bilder des Sultans, Maerkte, Wasserdoerfer und Moscheen praegen das Bild im Zentrum. Arm und reich ganz nah beieinander. Besonders deutlich zeigt sich das Missverhaeltnis bei einem Gang durch die Wasserdoerfer – beinahe uebermaechtig erhebt sich die Moschee im Hintergrund mit ihren vergoldeten Kuppeln und scheint, die aermlichen Huetten zu zerquetschen zu wollen. Doch seit gut 40 Jahren begehrt niemand mehr auf. Dank kostenlosem Gesundheitswesen, subventionierten Grundguetern und Kraftstoff hat die Monarchie die Masse im Griff. Ein wenig erinnert die Atmosphaere hier an vergangene Zeiten in der kleineren Haelfte des geteilten Deutschlands.

Das einzige Museum, welches wir besuchen, widmet sich zum Einen der Geschichte des Sultanats und zum Anderen dem Lobpreis des Monarchen. Wir werden hoeflich, aber bestimmt darum gebeten, die Schuhe auszuziehen, und so durchstreifen wir barfuss eines der ungewoehnlichsten Museen, die mir bisher untergekommen sind. Hier werden neben unzaehligen, vergilbten Dokumenten und Fotos die Ehrungen, Auszeichnungen und die riesige Sammlung von Huld-Geschenken internationaler Staatsdiener an den Sultan ausgestellt. Daraus lassen sich die wichtigsten Kriterien fuer Gastgeschenke ableiten: Geschmacklos, haesslich, nutzlos und vor allem teuer.

Wir brechen wieder auf. Um die monotone Autobahnlandschaft in Hauptstadtnaehe zu umgehen, kuerzen wir mit einer Faehre ab und katapultieren uns so mit unglaublichen 80km/h nach Bangar. Ab hier fuehrt die Fahrt auf einer schmalen Schneise durch den Regenwald in Richtung Malaysia. Wir geniessen diese Fahrt sehr. Es ist schattig und aus dem Wald weht ein stets kuehlendes Lueftchen und ein vielfaeltiges Stimmengewirr. Ueber uns in den Baumwipfeln schwingen sich ab und an ein paar Aeffchen von Ast zu Ast, ein paar Nashornvoegel lassen sich blicken…. Anders, als das Nachbarland Malaysia, hat es Brunei nicht noetig, den Regenwald abzuholzen. Dafuer sorgt der Oelfluss an und vor der Kueste. Damit mal ein positiver Aspekt des Ganzen…

14 Druck von oben

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