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Archive for the ‘08 Cambodia’ Category

Kinderland

Schon an der Grenze bemerkt man, dass Kambodscha etwas anders ist. Definitiv staubiger. Noch definitiver: aermer. Zerlumpte Kinder ziehen und schieben an schwer beladenen Holzkarren, Familienvaeter kurbeln, aus Ermangelung an Beinen, mit blosser Armkraft die gesamte Familie auf antik anmutenden Wagen vom Markt zurueck nach Hause. Waeren da nicht die Pickups mit thailaendischen Kennzeichen, die VIP-Touristenbusse auf dem Weg von Bangkok nach Siem Reap und die glitzernden Spielcasinos entlang der Strasse, man koennte meinen, man haette eine Zeitreise unternommen…

Wir fahren wieder rechts. Die von den Thais frisch geteerte Strasse sticht schnurgerade durch Reisfelder und aermliche Siedlungen bis zur 50km entfernten Kreuzung – ein Ort namens Sisophon. Duester, staubig und unfassbar freundlich. Selten erleben wir so viel aufrichtige Freude ueber unser Erscheinen. Das mag etwas ueberheblich klingen, aber wir haben tatsaechlich den Eindruck, dass die Leute froh sind, dass jemand ihr Land, ihre Stadt, ihr Dorf besucht. Es wird freundlich gewunken, die Menschen laecheln und sprechen uns an – hoeflich, ein wenig neugierig, vollkommen unaufdringlich. Ein bisschen erinnert mich die Szenerie an die Nachwendezeit in der DDR, als mein Cousin Rene und ich einen Teil unserer Freizeit damit verbrachten, den durch Zwickau fahrenden Autos mit westdeutschen Kennzeichen zuzuwinken. Einfach so. (Wir waren ja noch jung)

In Battambang, der mit lediglich 100.000 Einwohnern schon zweitgroessten Stadt des Landes, legen wir ein paar Tage Pause ein. Von hier aus wollen wir eigentlich mit dem Boot ueber Fluss und See nach Siem Reap, zu den Tempeln um Angkor Wat, fahren. Das ist fuer unser Budget allerdings definitiv zuviel und so entscheiden wir uns, zu radeln. Doch zuerst wollen wir die Umgebung der Stadt erkunden. Wir stossen auf Sambat, Englisch sprechender Tourfuehrer, Geschichtsbuch und Tuktuk-Fahrer in Personalunion, und heuern ihn fuer einen ganzen Tag. Das hilft beiden Seiten. Wir sehen und erfahren dabei definitiv mehr, als bei einer Erkundung auf eigene Faust und er kann seine Familie ernaehren.

Das dies hier nicht die Regel ist, kann man jeden Abend in der Stadt sehen. Horden von Kindern und Jugendlichen, dreckig und abgerissen, wuehlen sich durch die Muellhaufen an den Strassen, betteln um Essen an den wenigen noch geoeffneten Restaurants und schnueffeln Leim.

Kambodscha ist ein von der Schreckensherrschaft der Roten Khmer, von Buergerkrieg und Korruption gebeuteltes Land. Das aermste in Suedostasien. Eine der juengsten Bevoelkerungen weltweit. Die Haelfte der Bevoelkerung ist unter 15 Jahre alt. Alte Menschen eine Raritaet. Auch heute noch werden jedes Jahr hunderte von Menschen von Landminen zerfetzt oder verstuemmelt.

Doch erscheint der Optimismus der Menschen ungebrochen (oder frisch erwacht). Eine erstaunliche Lebensfreude und Aufbruchstimmung ist spuerbar. Hier wird nicht lamentiert – hier wird angepackt – hin zu einem besseren Leben. Bildung wird sehr ernst genommen. Anders als in Thailand, sprechen viele Menschen englisch mit uns. Tourismus heisst Hoffnung. So kommt Geld ins Land.

Auf dem Weg nach Siem Reap kommen wir noch einmal nach Sisophon. Hier bleiben wir im Haus von Khamler und seiner Mutter, die wir beide schon beim letzten Besuch kennen gelernt hatten. Es ist das einzige „Homestay“ in der Stadt, genannt „Bambous Guesthouse“, welches auf private Initiative einer Franzoesin, Francoise, zustande kam und Khamler und seiner Familie eine Zukunft giben soll. Aus eigener Kraft waere dies finanziell nicht moeglich gewesen. Wir verbringen einen interessanten Abend mit Francoise, Khamler und seinen Freunden, diskutieren ueber die Zukunft des Landes, Hilfsorganisationen, Bildungssysteme und Tourismus in all seinen Facetten. Nun heisst es fuer die „Bambous-Leute“ vor allem, Gaeste zu finden.

Vor dem naechsten Stopp habe ich ein wenig Bammel. Nicht viel Gutes hoert man ueber Siem Reap. Massentourismus in Reinform, was auch immer man darunter verstehen mag. Einmal dort, kann ich dem Ort durchaus Positives abgewinnen. Sicher, es ist nicht Durchschnitts-Kambodscha – eher eine bunte Insel im grossen gruenen Meer der Reisfelder. Doch man erwartet auch nicht unbedingt Authenzitaet von einem Ort, der jaehrlich mehr als 2 Mio. Besucher anzieht. Jeder davon mit eigenen Vorstellungen von Urlaub, eigenen Wuenschen und Beduerfnissen. Hier gibt es die Ballermann Suffkoeppe, genauso wie die Stuidiosus-Bildungsreisenden, die Luftballon-an-niedliche-kleine-Kinder-Verschenker, Neu-und-Alt-Hippies, Backpacker, Luxushotel-Logierer, stinkende Radfahrer und viele mehr. Dafuer, das diese unterschiedlichen Mentalitaeten hier alle aufeinander prallen, geht es erstaunlich ruhig und gesittet zu, auch wenn man sich ab und zu ein wenig „fremdschaemt“. Aber wer weiss, wer sich alles ueber uns aufregt? So wie wir rumlaufen?? So wie wir nach einem heissen Tag auf den Raedern riechen??? „Angenehmes, gepflegtes Erscheinungsbild“ trifft es wohl nicht. Und Arbeiten tun wir auch nicht? Also, entweder sind wir superreich oder asozial….

Den Besucherstrom verdankt Siem Reap den nahe gelegenen Tempeln von Angkor, Weltkulturerbe seit 1992. Nun haben wir von Tempeln, neuen, alten, buddhistischen, hinduistischen etc. eigentlich die Nase gestrichen voll. Allerdings wollen wir uns diese welweit einzigartige Gelegenheit nicht entgehen lassen, blaettern brav die atemberaubenden 20 US-Dollar (pro Person und Tag, ahh!) auf den Tresen und entdecken, zusammen mit unseren treuen Drahteseln, jahrhundertealte, maerchenhafte Ruinen in einer parkaehnlichen Anlage. Unser Liebling ist allerdings nicht die hoffnungslos ueberlaufene Hauptattraktion, Angkor Wat, sondern der „Dschungeltempel“ Ta Prohm.

Unser Weg fuehrt uns nun nach Norden. Zurueck nach Thailand. Ein ruhiges Fleckchen Erde bis zur Grenze. Doerfer, Kuehe, Reisfelder, viiele Kinder, Minen-Warnschilder. Die Grenze von Choam ist oben, auf einer der wenigen, dafuer steilen Erhebungen weit und breit. Wir sehen Baustellen fuer Casinos, eine blockierte Strasse – aber keinen offenen Uebergang. Also immer den Einheimischen hinterher. Ueber eine rote Staubpiste, gesaeumt von Verkaufsstaenden, rumpeln wir auf ein paar palmgedeckte Ueberseecontainer zu, welche tatsaechlich Grenzbeamte beinhalten! Sehr vertrauenserweckend. Doch alles kein Problem. Souveraen aus- und eingecheckt rollen wir nach 15 Minuten wieder links…

Im Dorfe

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