Kirgistan: „Nur der Versuch macht kluch!“
Von Kashgar über Sary-Tash nach Karomyk und zurück nach Sary-Tash
Die Jagd nach den Visas fuer Zentralasien war schliesslich erfolgreich, allerdings fast zu spaet. Wir verlassen Kashgar und finden uns nach dem Abzweig Richtung Grenze in einer wuestenartigen Gegend wieder. Kamele weiden in der kargen Landschaft, die Sonne brennt auf uns herab und der Wind blaest uns aus vollen Lungen kraeftig ins Gesicht. Das Vorankommen verlangsamt sich auch dank der stetigen Steigung dramatisch, so dass wir am Ende des zweiten Tages, noch weit entfernt vom Tagesziel, den Daumen raushalten… Ein chinesischer Geologe und sein uigurischer Kollege erbarmen sich unser und fahren uns nicht nur bis zu ihrem Zielort, sondern machen einen 100km langen Umweg und bringen uns gleich bis zur Grenze. Geld wollen sie dafuer keins und nach dem gemeinsamen Abendessen kostet es mich grosse Kraft, wenigstens dies bezahlen zu duerfen….
Die letzte Nacht auf chinesischem Boden verbringen wir in einer Trucker-Herberge unweit des Grenzpostens. In einer eingeschossigen Gebaeudezeile in einem unsaeglich tristen Ort vermieten aeltere Damen winzige Verschlaege, angefuellt mit sechs Doppelstockbetten, einem kleinen Ofen und den Geruechen und Geraeuschen seiner Kurzzeitbewohner. An Schlaf ist kaum zu denken…
So machen wir uns am naechsten Morgen uebermuedet auf zur Grenzkontrolle. Wir sind die Einzigen hier, werden herzlich und sehr freundlich willkommen geheissen, nach unserem Woher und Wohin und Wohlbefinden befragt. Einer der Beamten bringt uns heisses Wasser, der andere macht den Gepaeck-Scanner startklar und nach einer oberflaechlichen Kontrolle werden wir mit einem „Besuchen Sie uns bald wieder“ entlassen. Kaum zu glauben, nach all den Geschichten die wir von anderen Radlern gehoert haben. Auch auf kirgisischer Seite werden wir zuvorkommend behandelt und koennen schnell unserer Wege ziehen. Selbst die Tatsache, dass unser China-Visum in dem einen, das kirgisische in dem zweiten Pass ist, erntet nur ein Schulterzucken…
Alles andere als angenehm hingegen ist das Wetter. Wir sind wieder in den Bergen angekommen, es regnet jeden Tag und die Temperaturen sind in den einstelligen, wenn auch positiven Bereich gefallen. Kurz hinter der Grenze winkt uns am Rande einer Siedlung namens Nura ein kleines Maedchen heran, fragt per Handzeichen, ob wir Essen wollen. Nun erst faellt uns auf, dass wir heute noch nichts zu uns genommen haben und folgen freudig ins Haus. Dort erwartet uns schon die Mutter und tischt uns Fladenbrot, Aprikosenmarmelade und heissen Tee, Laghmen und Suesses auf und braucht auch nicht lange, um uns zu ueberreden, die Nacht hier im Haus zu verbringen. Darauf scheinen ihre drei Kinder und die Cousins und Cousinen aus der Nachbarschaft nur gewartet zu haben: Ein toller Spiel- und Malnachmittag beginnt. Fuer sie.
In Windeseile verbreitet sich die Nachricht ueber unseren Aufenthalt und immer wieder kommen aeltere Damen zu Besuch, die uns als Grossmuetter und Schwestern vorgestellt werden und von denen wir unbedingt Fotos machen muessen. Ein grosser Spiegel liegt schon bereit, und vor jedem Bild werden die Kopftuecher in Form gezupft und die Rotze aus den Gesichtern der Kinder gewischt.
Es ist warm und gemuetlich, immer wieder gibt es Tee und etwas kleines zu Essen – Fladenbrot, hausgemachter Quark, ukrainisches Konfekt. Das Leben spielt sich auf dem Fussboden ab – Sofas und hohe Tische gibt es nicht – dafuer sind die Raeume mit Teppichen ausgelegt. Duenne Matratzen darueber und viele Kissen laden zum Sitzen und Liegen ein und am Abend werden ein paar Decken von einem Stapel genommen und sich darunter zur Ruhe gebettet…
Die Haeuser wurden nach einem verheerenden Beben vor wenigen Jahren neu errichtet, billig aus Spanplatten zusammengeschustert. Wer aufs Klo will, muss den langen Weg ueber den matschigen Acker auf sich nehmen, den Kindern dient ein umgestuerztes LADA-Wrack als Sichtschutz fuer ihre kleinen und grossen Geschaefte.
Der naechste Tag ueberzeugt mit besserem Wetter und, nach langer Auffahrt zur Passhoehe des Irkeshtam, mit einem einzigartigen Panorama. Ab 3300m beginnt die Schneefallgrenze – zu tief, wie wir befuerchten, da der von uns vorgesehene Weg ueber den Pamir ueber 4600m fuehren wird… Wie es scheint, sind wir zu frueh dran. Die Bergkette, die Tadschikistan von Kirgistan trennt, tuermt sich suedlich von uns wie ein riesige Wand aus Eis und Schnee auf – und erscheint uns als fast unueberwindbar. In dem weiten Tal des Flusses KySyl grasen friedlich Herden von Yaks, Pferden, Ziegen und Kuehen. Am Abend erreichen wir Sary-Tash, am Kreuzungspunkt des Pamir-Highway M41 und der Verbindungsstrasse zwischen Kashgar und Dushanbe. Gleich am Ortseingang werden wir angehalten und ausgefragt – das Uebliche. Die Aussage, dass ich aus „Germanija“ stamme versetzt die maennlichen Zuhoerer in helle Begeisterung: „Aftomaschina otschen horoscho“ und „Hail Huettler“ werden mir lautstark entgegengeschmettert, der grossen Freude mit kraeftigem Schulterklopfen und breitem Grinsen aus goldbezahnten Muendern Nachdruck verliehen. Mein konsternierter Blick verleitet dann den Aeltesten von ihnen zu der Frage „Huettler kaputt, da?“. Ich nicke, laechle und alles ist gut! Nach dem gestrigen Kinder-Chaostag sehnen wir uns nach ein wenig Ruhe und folgen der mit winkender Bierflasche ausgesprochenen Einladung ins Haus nicht, sondern fahren ein paar Meter weiter und quartieren uns in der Gastoniza „AIDA“ ein – ein unbeheizter Raum, uebern Hof ein Plumsklo und karge Speise fuer wenig Geld.
In der Nacht schneit es und am naechsten morgen erwachen wir beide mit einer grossartigen Erkaeltung. Fieber schuettelt mich immer wieder aus dem Halbschlaf und wir beschliessen, Sary-Tash so schnell als moeglich zu verlassen. Talabwaerts fuehrt die Strasse direkt nach Tadschikistan und weiter in die Hauptstadt Dushanbe. Der Haken dabei ist leider der, dass der Grenzposten bei Karomyk nur fuer Einheimische passierbar ist. Versuchen wollen wir es trotzdem…
Dazu fahren wir in den Nachbarort Sary-Mogul. Dort wohnt Turdubai, einer der wenigen Menschen im Tal, denen Englisch gelaeufig ist und der uns seine Hilfe zusichert. Er ist ausserdem einer der wenigen Maenner, die sich nicht dem modischen Diktat der Region unterworfen haben – dem Fake-adidas-Jogginganzug! Gefordert ist hier ein dunkler Grundton, die drei Sreifen sollten farblich moeglichst zur Wertanlage im Mund passen, die weissen Tennissocken werden ueber die Hosenbeine gezogen und die Fuesse zieren unsaeglich grellbunte Turnschuhe. Vervollstaendigt wird der tapfere Traeger dieser zentralasiatischer Zumutung durch das Schmuecken des Kopfes mit einer amerikanischen Baseballkappe oder dem traditionellen Filzhut.
Sary Mogul liegt gegenueber des Pik Lenin. In der Gesamtheit der schneebedeckten Bergkette des Psay Alai stellt er keine herausragende Persoenlichkeit dar, ist aber, wenn ich nicht irre, einer der ersten 7000er, die ich so zu Gesicht bekomme. Mogul ist schoen. Flache Lehmhaeuser, spielende Kinder, laechelnde Menschen, eingebettet in das riesige gruene Tal und im Hintergrund die Mauer aus Fels, Eis und Schnee….
Im Zuge der Vorbereitungen auf den Grenzuebertritt lernen wir den „Paten“ des Tales kennen. Bei ihm zu Hause wird, bei einem reichlich gedeckten Tisch, ein Plan kreiert, der mehrere Menschen mit Beziehungen involviert – Maenner, die wiederum Maenner an den richtigen Stellen kennen, und wissen, wer was fuer wie viel zulaesst. Anders gesagt, es wird innerhalb nur einer Stunde und einiger Telefonate ein Netzwerk organisiert, welches uns auf dem Weg zur Grenze beherbergt und verkoestigt, wenn notwendig, um Polizeisperren herumfuehrt und am Ende mit einem Fahrzeug ueber die drei kirgisischen und den tadschikischen Grenzposten bringen soll. Alles klingt gut durchdacht, alle sind optimistisch. Zweifel an der Durchfuehrbarkeit gibt es keine. Nun liegen nur noch zwei Tage Radfahrt zwischen uns und der Grenze – leider ist die Strasse zum allergroessten Teil ungeteert und der Wind stemmt sich uns weiterhin mit ganzer Kraft entgegen.
Wir werden von Freund zu Freund und Familie zu Famile durchgereicht und erleben eine grenzenlose Gastfreundschaft! Leider begegnen wir auch zwei Halbstarken auf fast menschenleerer Strasse, die ploetzlich meinen, dass mein Eigentum nun das Ihre sei und ich mich doch bitte nicht so uneinsichtig zeigen solle. Einer haelt von vorn mein Rad fest, redet auf mich ein und gestikuliert zunehmend aggressiver werdend, der Zweite steht ruhig neben mir und wiegt seinen Spaten in der Hand. Zuzka ist gluecklicherweise aus der Gefahrenzone entschwunden, kann aber aus der Ferne weder einschaetzen, was gerade vor sich geht, noch irgendwie helfend eingreifen. Waehrend ich noch versuche ruhig zu bleiben und mir so meine Gedanken mache, wie und ob ich denn mit den Beiden fertig werden koennte, oder diese am Ende doch recht haben sollten und ihnen nun der Inhalt meiner Taschen gehoert, kommt mir die Rettung in Form eines vollbeladenen Russen-Jeeps entgegen. Ich winke kurz und der Fahrer erfasst wohl die Lage – angesichts fuenf volljaehhriger Maenner, die sich lautstark schimpfend aus dem Wagen draengen, kommen den beiden Gaunern wohl Zweifel an ihrem Tun und lassen mich meiner Wege ziehen…
Kurz vor der Grenze in Koromyk werden wir schon von fuenf Maennern erwartet. Unser Kontaktmann, genannt Nur, erweist sich als netter, vertrauenswuerdiger Mann, der Rest der Bande erscheint uns reichlich dubios… Wir quetschen uns und die Fahrraeder in den Van und starten die Aktion „GRENZE“. Aber wer aus Erfahrung nicht lernt, ist selber schuld und so stellt sich nach einer Stunde heraus, dass nichts geht. Keinen Meter werden wir hier weiter kommen. Nur ist untroestlich, seine Ehre angekratzt, hat er doch behauptet, dass die ganze Aktion „absolut gar kein Problem“ sei. Waere es wohl auch nicht gewesen, wenn nicht ausgerechnet heute der Oberst zur Stelle gewesen waere, den auch unsere Dollar eiskalt lassen… Uns ist das Ganze nicht so unrecht – sind uns doch in den letzten Tagen der Fahrt, bei schoenstem Wetter, so einige Zweifel gekommen. Viele Radler haben uns von der aussergewoehnlichen Schoenheit des Pamir erzaehlt – eigentlich schade, wenn wir das verpassen wuerden, auch wenn das ein paar Wochen und ein paar tausend Hoehenmeter mehr bedeutet…
Wir werden noch fuerstlich bewirtet im Hause Nurs, stolz werden uns die von seiner Frau handgemachten, und wirklich wunderschoenen Teppiche praesentiert und wir werden zum Bleiben gedraengt – doch es haelt uns nichts mehr. Wir beschliessen, sofort aufzubrechen und so schnell wie moeglich ueber die offizielle Grenze nach Tadschikistan einzureisen…. Kurz hinter dem Ortsausgangsschild sammelt uns ein tadschikischer Truckfahrer auf, die Bikes werden in den leeren Ueberseecontainer gelegt und wir holpern zurueck zum Ausgangspunkt, nach Sary-Tash. Das gibt uns ein paar Stunden lang gute Gelegenheit, unser verrostetes Russisch blankzuwienern….
Tadschikistan: „Vom Winde verweht“
Auf dem Pamir-Highway nach Khorog
Am naechsten Morgen ziehen wir los, immer der weissen Mauer entgegen… Wie schon gewohnt und erwartet, sind die Grenzposten unkompliziert, nett und redselig. Eine schweizer Familie kann uns aus ihrem Wohnmobil heraus kurz gruessen, dann sind wir im 20km breiten Streifen Niemandsland. Kurz vor dem Kyzyl-Art-Pass beziehen wir Quartier bei der bitterarmen Familie eines Strassenarbeiters. Die kleine Ansammlung verfallener Haueser erscheint uns auf den ersten Blick verlassen – seid langer Zeit schon. Doch mit einem warmen Ofen im Haus und ein paar Decken ist das Ganze gar nicht so ungemuetlich. Zwei winzige Zimmer, eines Kueche, Wohnraum und Arbeitszimmer, das andere zum Aufbewahren und Schlafen, dienen der fuenfkoepfigen Familie als Unterschlupf. Nach einem kargen Abendessen schlafen wir alle zusammen auf dem Boden. In der Nacht, gegen 3 Uhr, werden wir ploetzlich durch heftiges Pochen und Rufen geweckt und sieben Menschen draengen sich lautstark in die gute Stube – nicht ganz so zur Freude unserer mueden Gastgeber – aber was sollen sie machen, schliesslich ist die Oma dabei. Nun wird es ploetzlich sehr eng, stickig und laut. Die Grossmutter wird, ungeachtet der vorgerueckten Stunde bestaendig schwatzend, nur handbreit neben meinem mueden Haupt gebettet – von nun ab kann von Schlafen keine Rede mehr sein!
Meine Erkaeltung weitet sich inzwischen zu einer boesen Bronchitis aus und im kleinen Oertchen Karakol, am gleichnamigen See gelegen, muss ich eine kurze Zwangspause einlegen. Das in dem Dorf eine „Frau Doktor“ zugegen ist, grenzt fast an ein Wunder und so komme ich in den Genuss einer Untersuchung mit anschliessender „Schlaf-Spritze“ und ein paar gut wirkender Medikamente.
Die Gegend ist fantastisch, unbeschreiblich schoen und dankenswerter und verstaendlicher Weise duenn besiedelt. Obwohl der Karakol-See recht salzhaltig ist, friert er im Winder zu und auch jetzt, Mitte Mai, ist noch der Grossteil mit einer dicken Eisschicht bedeckt. Der oestliche Pamir ist ein Hochplateau, eine Wuestengegend, schottrig und sandig, mit vereinzelt wachsendem, kugeligem Gestraeuch und ein paar hartnaeckig kaempfenden Flechten. Im Hintergrund bilden die riesigen Berge mit ihren schneebedeckten Gipfeln eine fantastische Kulisse und wenn wir nicht so sehr mit dem Gegenwind kaempfen muessten, koennten wir die Fahrt richtig geniessen.
Nach einem verschlafenen Tag am See fuehle ich mich stark genug, wieder aufzubrechen, auch wenn meine sensiblen Bronchien arg mit der duennen Luft ringen muessen. Noch immer begleitet uns der oft gefaehrlich nah an die Strasse heranreichende Grenzzaun nach China, als wir vor uns ploetzlich mehrere Schuesse hoeren. Was ist denn das nun? Ganz wohl fuehlt man sich ja nicht, wenn irgendwo herumgeballert wird. Aber was sollen wir machen? Weiterfahren – ganz klar! Wir treffen schliesslich auf einen Militaerjeep, dessen gelangweilte Besatzung sich die Zeit damit vertreibt, auf die zahlreichen, panisch fluechtenden Hasen und Murmeltiere erfolgreich Jagd zu machen. Wir werden freudig begruesst – wir sind auf zwei Militaeraerzte und ihre Fahrer gestossen, und werden nach erfolgtem Posieren vor unserer Kamera, mit Tabletten und nuetzlichen Tipps zur Gesundheitsvorsorge versorgt. Nun kann ja eigentlich nichts mehr schiefgehen…
An den Abenden stellt sich uns die Frage nach einer geeigneten Unterkunft: In den groesseren Ortschaften stehen ein paar Gastonizas zur Verfuegung, ansonsten gibt es ein passables Angebot an Homestays – Unterkunft und Verpflegung in den Haeusern der Einheimischen. Einziges Manko ist die Unvertraeglichkeit von literweise fliessendem Tee und meilenweit entfernter Toiletten. Ausserhalb der Siedlungen suchen wir uns die windgeschuetztesten Orte, die wir fuer unser Zelt finden koennen – eine huegelige Landschaft oder, wenn es keine Huegel gibt, tut es zur Not auch die kleine Kiesgrube am Strassenrand.
Inmitten des kalten Nichts wird Zuzka ploetzlich alt. Zum Gratulieren sind die ueblichen Verdaechtigen anwesend: Wind, Sonne, ein paar Kieselsteine und meine Wenigkeit. Wir stossen mit frisch gefiltertem Bergbachwasser an und goennen uns ein paar Schokoriegel. Leider ohne 30 Kerzen…
Es wird zunehmend kaelter und wir treten maechtig in die Pedalen, um vorwaerts zu kommen, ein Ziel klar vor Augen: Khorog!
Trotz aller kraeftezehrender Anstiege, Gegenwindkaempfe und der Ruettelpisten sind wir froh, doch diese ueberwaeltigende Gegend durchfahren zu koennen – wir haetten definitiv etwas Grossartiges verpasst!
Hat man einmal die Hochebene und den letzten Pass hinter sich gebracht, rollt man direkt in die kleine Siedlung Jelandy. Hier gibt es heisse Quellen und ein Sanatorium. Sanatorium? Das klingt in unseren Ohren nach einer laengst vergangenen Zeit.
Wir erreichen den langestreckten Bau, angefuellt mit einem Mix an interressant aussehenden Gaesten, die mit Bademantel bekleidet und Handtuch ueber der Schulter den langen Flur durchschreiten. Das uns zugewiesene Zimmer verbreitet ein post-sowjetisches Flair – dunkles Holz imitierende Plastikpaneele ziert Waende und Decke, der zerbrochene Glasluester verteilt gedaempftes Licht im Raum, am Boden liegen weiche Teppiche, die Betten sind mit dunkelroten Decken ueberzogen, der Raum wunderbar ueberhitzt – durch unterarmdicke Metallroehren glueckert lautstark heisses, schwefliges Wasser direkt aus dem Berg. Genau das gleiche, welches sich in den Baederaeumen bruehend heiss aus den rostigen Duschkoepfen quaelt. Einer der beiden Baderaeume ist fuer die Frauenwelt und alle Arten von Kindern, der zweite fuer die Maenner reserviert. Im Dampf des grossen, ehemals weiss gekachelten Raumes wird mir ploetzlich bewusst, dass ich in meiner Nacktheit ganz klar vom Rest der planschenden Maenner unterscheidbar bin – der einzige Nicht-Muslim verraet sich durch ein winziges, noch vorhandenes Detail!
Ungeachtet dessen tut es gut, sich nach wochenlanger Wasserabstinenz wieder einmal waschen zu koennen! Wir hatten es den Einheimischen gleich getan und sind abends ohne grossartige Umkleide-Anstrengungen direkt ins Bett gehuepft. Die Luft ist trocken genug, um nicht allzu sehr zu stinken und kleine, stechende und beissende Tierchen finden es hier, in den luftigen Hoehen des Pamir wahrscheinlich zu kalt zum leben…
Im Essraum des Sanatoriums bestellt man vor zwei huefthohen in die Hocke gehenden Durchreichen das Abendbrot: Die Auswahl besteht aus:
Klare Bruehe mit Kartoffelstueckchen und Rindfleisch oder Reissuppe mit Karottenstueckchen ohne Rindfleisch, Gefluegel-Wiener oder Spiegeleier, Gruen- oder Schwarztee, Brot oder kein Brot.
Nach dieser Aufzaehlung sagen wir einfach „Ja!“ und bekommen zu unserer grossen Freude tatsaechlich alles, ausser „Kein Brot“.
Nach erfolgtem Tiefschlaf und einem Fruehstueck, welches sehr an das vorangegangene Abendessen erinnert, sind wir bereit, die letzte, lange Etappe durch das tief eingeschnittenen Tal des Flusses Gunt zu bestreiten. Inmitten der Geroellhalden der Berge stechen gruene Oasen heraus. Immer wieder werden wir lauthals oder mit stummen Gesten zum Tee- oder Kwastrinken, zum Schlafen oder Essen aufgefordert! Bedingungslose Gastfreundschaft scheint in dieser Gegend der Welt eine absolute Selbstverstaendlichkeit zu sein…
Am Ende des Tages, kurz vor Khorog, treffen wir wieder einmal auf einen Kontrollposten. Die drei Beamten begutachten unsere Visas und die notwendigen Stempel der Sonderbewilligung (GBAO), die es uns erlauben, durch die vielen eigenstaendigen Gebiete des Pamirs zu reisen – und erfinden eine neue Region, durch welche wir nun angeblich fahren und fuer die wir keinen Stempel haben – mit dem Hinweis darauf, dass wir mit einer Spende problemlos weiterfahren duerfen. In den Augen der Beamten blinken Dollarzeichen auf, in den meinigen Blitz und Donner! Es wird heftig diskutiert und nachdem ich ihnen klar gemacht habe, dass ich mich in Khorog beim KGB nach der Rechtmaessigkeit des Ganzen erkundigen moechte, entlassen sie uns mit einem freundlichen Laecheln und ganz ohne „Spende“ in Richtung Stadt…
Khorog ist ein wunderbarer und wundersamer Ort mit wunderbaren und wundersamen Bewohnern. Der fuer Reisende angesagteste Ort ist die „Pamir-Lodge“, ein nicht allzu leicht zu findender „Ort der Ruhe und Kontemplation“, waere da nicht die Baustelle nebenan, welche dafuer sorgen soll, dass im Sommer noch mehr Gaeste das besondere Flair geniessen koennen.
Wir sind maechtig froh darueber, auf andere Herumziehende zu treffen und es entwickeln sich praechtige Gespraeche in einer allen gelaeufigen Sprache. Ein Ausflug in den Botanischen Garten, einer der beiden hoechsten der Welt, wie uns stolz erklaert wird, wird zu einem gemeinsamen Picknick und die Tage fliessen wunderbar entspannt, doch viel zu schnell dahin… Besonders ins Herz geschlossen haben wir Joseph, einen Motorradfahrer aus Oesterreich, mit dem wir jede Menge Zeit beim Einkaufen in den kleinen Laeden und dem Basaar der Stadt, beim Reden auf der grossen Veranda vor unseren Zimmern und beim Essen verbringen. Es ist schoen, sich einmal nicht bewegen zu muessen und nur mit solch kleinen Pflichten wie Fahrrad-Reparatur, Waeschewaschen und Blog-Schreiben konfrontiert zu sein.
Falls wir uns tatsaechlich aufraffen koennen, weiter zu fahren, werden wir wohl innerhalb einer Woche Dushanbe erreichen. Dort wollen, oder besser muessen wir uns um die naechsten notwendigen Visas kuemmern…
Au weia, Ihr tut mir echt leid! Jetzt hoert mal auf zu jammern wie schwer Ihrs doch habt! Aber keine Angst ist ja bald vorbei und dann hat Euch das AllTagsLeben wieder. [/Ironie aus]
ja, wenn du wuesstest, was es nun schon wieder zu jammern gibt!!! opel, opel und wieder opel!!! die volksseuche nummer 1 in tadschikistan
WAS GENAU ist “alltagsleben”? und uebrigens: auch wenns viel zu jammern gibt: der pamir ist doll – auch fuer zweiradfahrer mit motor!!!
die sonnigsten gruesse